Sommer, Sonne, Fortbildung – Prime Aligner Summit 2022 auf Ibiza – ZWP online – das Nachrichtenportal für die Dentalbranche (2023)

Sommer, Sonne, Fortbildung – Prime Aligner Summit 2022 auf Ibiza – ZWP online – das Nachrichtenportal für die Dentalbranche (1)

Foto: © TP Academy/TP Solution

Wie Alignerexperten komplexe kieferorthopädische Behandlungssituationen erfolgreich lösen, präsentierten und diskutierten internationale Top-Speaker vor und mit ca. 100 Kieferorthopäden aus 19 Ländern auf Ibiza. Ein Nachbericht von Dr. Marie-Catherine Klarkowski.

Ende Mai fand mit atemberaubendem Blick auf das Meer der Prime Aligner Summit auf Ibiza statt – eine einzigartige Fortbildung rund um die Alignerbehandlung. Im Mittelpunkt dieser standen praktische Tipps und Tricks für die strategische Planung der Alignertherapie.

Kaum jemand könnte besser vermitteln, wie wichtig die optimale Behandlungsplanung für die klinische Umsetzbarkeit ist, als die beiden Initiatoren des Events – Matthias Peper aus Sicht des Treatment-Planning-Service und Dr. Udo Windsheimer als erfahrener Kieferorthopäde und Trainer (Abb. 1 – 3). Dieser kombinierte Ansatz spiegelte sich auch bei der Auswahl der hochkarätigen internationalen Referenten wider, die in ihrer jeweiligen Heimat zu den Top-Aligneranwendern zählen. So war es spannend, zu hören, wie die Speaker ihre Herangehensweisen zwar aus unterschiedlichen Blickwinkeln, aber mit dem gemeinsamen Ziel präsentierten, einen effizienten und vorhersagbaren Behandlungsplan zu erstellen, der ein optimales ästhetisches und funktionelles Ergebnis sicherstellt.

Galerie

Sommer, Sonne, Fortbildung – Prime Aligner Summit 2022 auf Ibiza – ZWP online – das Nachrichtenportal für die Dentalbranche (2) Abb. 1–3: Als Gastgeber des PrimeAligner Summit hatten Matthias Peper(Gründer TP Academy/TP Solution) undKieferorthopäde Dr. Udo Windsheimer(Gründer des Orthocenters Crailsheim)auf die Baleareninsel Ibiza geladen. © TP Academy/TP Solution

Sommer, Sonne, Fortbildung – Prime Aligner Summit 2022 auf Ibiza – ZWP online – das Nachrichtenportal für die Dentalbranche (3) Abb. 1–3: Als Gastgeber des PrimeAligner Summit hatten Matthias Peper(Gründer TP Academy/TP Solution) undKieferorthopäde Dr. Udo Windsheimer(Gründer des Orthocenters Crailsheim)auf die Baleareninsel Ibiza geladen. © TP Academy/TP Solution

Sommer, Sonne, Fortbildung – Prime Aligner Summit 2022 auf Ibiza – ZWP online – das Nachrichtenportal für die Dentalbranche (4) Abb. 1–3: Als Gastgeber des PrimeAligner Summit hatten Matthias Peper(Gründer TP Academy/TP Solution) undKieferorthopäde Dr. Udo Windsheimer(Gründer des Orthocenters Crailsheim)auf die Baleareninsel Ibiza geladen. © TP Academy/TP Solution

Sommer, Sonne, Fortbildung – Prime Aligner Summit 2022 auf Ibiza – ZWP online – das Nachrichtenportal für die Dentalbranche (5) Abb. 4: Doppelkabelmechanik. (© Dr.Susana Palma)

Sommer, Sonne, Fortbildung – Prime Aligner Summit 2022 auf Ibiza – ZWP online – das Nachrichtenportal für die Dentalbranche (6) Abb. 5 und 6: Drei-Pha-sen-Protokoll. (© Dr. Susana Palma)

Sommer, Sonne, Fortbildung – Prime Aligner Summit 2022 auf Ibiza – ZWP online – das Nachrichtenportal für die Dentalbranche (7) Abb. 5 und 6: Drei-Pha-sen-Protokoll. (© Dr. Susana Palma)

Sommer, Sonne, Fortbildung – Prime Aligner Summit 2022 auf Ibiza – ZWP online – das Nachrichtenportal für die Dentalbranche (8) Abb. 7: DVT mit goldenem Dreieck.(© Dr. Iván Malagón)

Sommer, Sonne, Fortbildung – Prime Aligner Summit 2022 auf Ibiza – ZWP online – das Nachrichtenportal für die Dentalbranche (9) Abb. 8: KI-unterstütztes Behandlungs-Monitoring. (© Dental Monitoring)

Sommer, Sonne, Fortbildung – Prime Aligner Summit 2022 auf Ibiza – ZWP online – das Nachrichtenportal für die Dentalbranche (10) Abb. 9: Auswirkungen transversalerreziproker Bewegungen. (© Dr. DavidRaičković)

Sommer, Sonne, Fortbildung – Prime Aligner Summit 2022 auf Ibiza – ZWP online – das Nachrichtenportal für die Dentalbranche (11) Abb. 10 und 11: Besprechung eigenerFälle mit den Technikern von TP Solution. © TP Academy/TP Solution

Sommer, Sonne, Fortbildung – Prime Aligner Summit 2022 auf Ibiza – ZWP online – das Nachrichtenportal für die Dentalbranche (12) Abb. 10 und 11: Besprechung eigenerFälle mit den Technikern von TP Solution. © TP Academy/TP Solution

Sommer, Sonne, Fortbildung – Prime Aligner Summit 2022 auf Ibiza – ZWP online – das Nachrichtenportal für die Dentalbranche (13) Abb. 12: Das Event bot jede Menge Ge-legenheit zum fachlichen Austausch (imBild: Dr. Udo Windsheimer). © TP Academy/TP Solution

Sommer, Sonne, Fortbildung – Prime Aligner Summit 2022 auf Ibiza – ZWP online – das Nachrichtenportal für die Dentalbranche (14) Abb. 13: White Party auf dem Prime AlignerSummit. © TP Academy/TP Solution

Klasse II- und IIIKorrekturen mit TADs

Nach ihrem grandiosen Vortrag beim Invisalign Summit in Berlin hatte Dr. Susana Palma die Ehre, das Event zu eröffnen. In ihrem Vortrag ging es um die „Schwierigkeiten bei der Klasse II- und III-Korrektur mit TADs“. Sehr detailliert zeigte Dr. Palma ihren Ansatz für komplexe bi- und unilaterale Bisskorrekturen durch Einsatz retromolarer Minipins. Durch den Einsatz der „Double cable mechanics“ (Abb. 4) in Kombination mit TADs zur Alignerunterstützung lässt sich eine effiziente Distalisierung im Ober- und Unterkiefer erzielen. Der Vorteil hierbei ist, dass sich durch das veränderte Staging die Gesamtzahl der Aligner und damit die Behandlungszeit deutlich reduzieren.

Dr. Palma empfiehlt hierbei Minipins mit > 1,5 mm Durchmesser und > 8 mm Länge. Bei guter Primärstabilität beginnt sie sofort mit der Aktivierung bei einer Kraft von < 100 g. Falls keine ausreichende Primärstabilität gegeben ist, sollte mit der Aktivierung acht Wochen gewartet werden. Die Schraube sollte allerdings niemals drei bis vier Wochen nach Insertion aktiviert werden, da dies der Moment der geringsten Stabilität im Knochen ist.

Retromolare Minischrauben erlauben es, vom empfohlenen Distalisationsprotokoll abzuweichen. Die Molaren werden nicht wie üblich semisequenziell distalisiert, sondern gleichzeitig. Beim Drei-Phasen-Protokoll (Abb. 5 und 6) werden zunächst die Molaren, dann die Prämolaren und im Anschluss die Eck- und Frontzähne gleichzeitig distalisiert. Während der Distalisationsphase der Molaren werden außerdem die oberen Frontzähne mit zusätzlichem labialen Kronentorque prokliniert. Erst wenn die Molaren komplett distalisiert sind und der Torque der oberen Frontzähne korrekt ist, beginnt die gleichzeitige Distalisation der Prämolaren mit der Doppelkabelmechanik. Dabei werden palatinal (bzw. lingual) und bukkal Gummiketten von den an den Zähnen geklebten Buttons zum TAD geführt. Für die En-masse-Retraktion von 3-3 müssen die TADs umpositioniert werden: Dr. Palma entfernt die retromolare Schraube, um sie interradikulär distal des oberen ersten Prämolaren erneut zu platzieren. Dabei ist es wichtig, die eingehängte Powerchain von den Eckzähnen zum Prämolaren-TAD nicht zu überaktivieren, sondern nur alle acht Wochen auszutauschen. Beim Zwei-Phasen-Protokoll werden die Molaren gleichzeitig mit den Prämolaren mittels Doppelkabelmechanik distalisiert und im Anschluss Eck- und Frontzähne gleichzeitig bewegt. Dieses Protokoll empfiehlt sie, wenn die oberen Frontzähne zu Beginn prokliniert sind und mehr Distalisation als Intrusion der Molaren notwendig ist. Das Drei-Phasen-Protokoll ist sinnvoll, wenn die oberen Frontzähne zu Beginn stark retrokliniert sind und mehr Verankerung benötigt wird oder wenn die Molaren mehr intrudiert als distalisiert werden sollen.

Invisalign First: Planung und Umsetzung

Wie die Umsetzung einer Invisalign First Behandlung durch exaktes Staging und Monitoring gelingt, erklärte Dr. Pedro Costa Monteiro anschaulich. Gerade hier stehen Behandler bedingt durch Zahnwechsel und Wachstum permanent vor der Herausforderung, schnell auf die sich verändernde Situation reagieren und vorausschauend planen zu müssen, um einen effizienten Therapiefortschritt zu erzielen und die Anzahl der Refinements bzw. Neu-Scans zu minimieren. Damit Aligner erfolgreich in der frühen Wechselgebissphase eingesetzt werden können, geht es bei der Planung um ganz klares Prioritätenmanagement. Dabei sollte man sich nicht von der hohen Anzahl der Aligner „abschrecken“ lassen.

Wie bei der klassischen Herangehensweise mit herausnehmbaren und funktionellen Apparaturen, sollten vor dem Beginn der mandibulären Advancement-Phase (MA-Phase) folgende Teilziele der Behandlung mit Alignern erreicht sein: Expansion, Torque-Korrektur, ausreichender Overjet für die Klasse II-Korrektur, Einstellung der dentoalveolären Mittellinien sowie Nivellierung der Spee-Kurve. Wenn die Zahnbögen für die Bissverlagerung vorbereitet sind, funktioniert die Bisskorrektur durch anteriore Vorverlagerung des Unterkiefers mithilfe der MA-Wings sehr gut.

Bei der Verwendung von Invisalign First wird die Planung von Attachments an jedem Zahn, d. h. auch an Milchzähnen, empfohlen. Vor allem an den Schneidezähnen sollten immer horizontale, rechteckige Attachments zur Verankerungssteigerung platziert werden. Das gilt auch für die palatinalen bzw. lingualen rechteckigen Attachments an den Molaren und Prämolaren in Zusammenhang mit den MA-Wings bei geplanter UK-Vorverlagerung. Für das Wechselintervall bei Invisalign First gibt es sehr individuelle Protokolle in Abhängigkeit von der täglichen Tragezeit. Auch für die Retention wurden hier unterschiedliche Konzepte diskutiert. Nach einer Bisskorrektur ist eine sechsmonatige Retention mit Klasse II-Gummizügen auf jeden Fall ratsam.

Beobachtungen aus Natur und Architektur für optimale Behandlungsplanung

Dr. Iván Malagón (Abb. 3) präsentierte nicht nur sein Showtalent, sondern auch seine mathematischen Überlegungen, auf denen sein Planungsansatz zum optimalen Einsatz von SPARK Alignern mit dem Ziel lebenslanger Stabilität basiert. Für ihn ist der Schlüssel für die exakte Behandlungsplanung die Festlegung der individuellen Bogenform im Unterkiefer. Ausgangspunkt zur Bestimmung der Breite und Bogenform ist die Position der zweiten Prämolaren. Seine klinischen Beobachtungen lassen darauf schließen, dass sich der zweite Prämolar wegen der kompaktem Knochenstruktur im Vergleich zum Oberkiefer am wenigsten expandieren lässt. Deshalb handelt es sich im Prämolarenbereich eher um eine Aufrichtung der Prämolaren und nicht um eine wirkliche Expansion.

Im Bereich der Molaren erfolgt die Expansion durch eine Mesialrotation nach bukkal. Die zweiten Molaren müssen dagegen eher komprimiert (constricted) werden, da sie durch die  fehlende  Einwirkung  der oro fazialen Muskulatur oft außerhalb des Zahnbogens stehen. Wichtig ist, dass der Techniker, der den virtuellen Behandlungsplan bearbeitet, die Bogenweite nicht den zu weit bukkal stehenden zweiten Molaren anpasst. Dadurch würde eine dreieckige Bogenform entstehen, die laut Dr. Malagón nicht stabil bleibt. Die Position der unteren Prämolaren bestimmt somit die Weite im Oberkiefer.

Die Aufrichtung der unteren zweiten Prämolaren wird in der Approver-Software durch die Applikation von zusätzlichem bukkalem Kronentorque erreicht. Das Ausmaß bestimmt Dr. Malagón anhand eines frontalen DVTs, indem er die Neigung der Prämolaren in Bezug zur Christa Galli des Ethmoids setzt. Optimalerweise bilden die geneigten Prämolaren einen Schnittpunkt mit der Christa Galli, sodass ein Dreieck („goldenes Dreieck“, Abb. 7) bei frontaler Betrachtung entsteht. Ziel ist es, durch eine ovoide Bogenform im Unterkiefer und eine ovale Bogenform im Oberkiefer eine lebenslange Stabilität zu schaffen, angelehnt an Konstruktionsbeispiele aus der Natur und Architektur.

Mithilfe von palatinal und bukkal inserierten TADs im Molarenbereich kann die Molarenintrusion bei der Behandlung eines frontal offenen Bisses forciert werden. Durch die Intrusion wird eine Autorotation der Mandibula zum Schluss des offenen Bisses möglich. Dabei müssen unbedingt die Torquewerte der OK/UK-Frontzähne beachtet werden, um eine Autorotation des Unterkiefers zu ermöglichen und mit korrektem Overbite und Overjet abzuschließen.

Neue Zeiten auch in der Praxisplanung

Philippe Salah, CEO von Dental Monitoring, referierte über den Einsatz von künstlicher Intelligenz und die Entwicklung von Dental Monitoring: „Artifical Intelligence – the future in Orthodontics?“ Grundsätzlich beruht die Entwicklung von Tools, die mit KI arbeiten, auf der Sammlung und Auswertung großer Datenmengen.

Der Einsatz von Dental Monitoring (Abb. 8) ist in der gesamten Kieferorthopädie möglich, nicht nur bei der Alignertherapie. Folgende Aspekte können hiermit z. B. bei einer festsitzenden Behandlung überwacht werden: Mundhygiene, lose Brackets, gebrochene Bögen, störende Bogenenden, Beurteilung der Bogenaktivität (aktiv vs. passiv), genereller Behandlungsfortschritt, Abgleich mit den Behandlungszielen, Notwendigkeit von SOS-Terminen, Festlegung des nächsten notwendigen klinischen Kontrolltermins in der Praxis u. v. m.

Bei einer Alignerbehandlung können u. a. folgende Punkte überwacht und beurteilt werden: Compliance, Motivation, Vermeidung unnötiger Kontrolltermine, frühzeitiges Aufdecken von Abweichungen, Sitz der Aligner, Verlust von Attachments, Kontrolle und Supervision der Alignerwechsel und ebenfalls die Mundhygiene. Alle Punkte können individuell vom Behandler konfiguriert werden. Jeder Anwender legt seine eigenen Monitoring-Protokolle fest. Auch die Überwachung der Retentionsphase mit dem rechtzeitigen Erkennen von Rezidiven ist eine wertvolle Indikation. Gerade im Anschluss an die aktive Behandlungszeit ist das Intervall für Kontrolltermine reduziert, des Weiteren ist ein respektvoller Umgang mit der Zeit der Patienten immer wichtiger. Da sich mit Dental Monitoring unnötige Kurztermine vermeiden lassen, sind die Patienten dankbar. Ärzte müssen sich vielleicht noch an den Gedanken gewöhnen, dass ihre Kompetenz nicht infrage gestellt wird, weil sie die Patienten nicht physisch gesehen haben. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Durch das KI-unterstützte Monitoring steigt sogar die Präzision und die Behandler sind jederzeit auf dem aktuellen Stand und können bei Abweichungen schneller reagieren.

Philippe Salah propagiert ein Umdenken in der Kieferorthopädie und das Überdenken „altbewährter Routinen“. Die Anwender von Dental Monitoring beweisen, dass neue Praxiskonzepte funktionieren. Es ist nicht notwendig, alle Patienten standardmäßig, z. B. alle sechs Wochen, in die Praxis zur Kontrolle einzubestellen. Ob der Patient in einer kritischen Phase wöchentlich oder erst in drei Monaten wieder in die Praxis kommt, bestimmen die Ärzte individuell durch die Unterstützung von Dental Monitoring.

Grundsätzlich sollten die Patienten nur so oft physisch begutachtet werden, wie es wirklich notwendig ist. Dieses Umdenken erfordert Mut. Aber auch hier bestätigt sich: Nur wenn man bereit ist, die Komfortzone zu verlassen, um in die Macherzone zu kommen, ist Veränderung überhaupt möglich. Heute erscheint es vielleicht unvorstellbar, keinen Folgetermin mit dem Patienten zu vereinbaren. In einigen Jahren ist es vermutlich vollkommen selbstverständlich, dass die KI die individuelle Terminvereinbarung und Koordination der Behandlung übernimmt (Anmerkung der Autorin).

Interaktive Fallbearbeitung

Es ist bemerkenswert, zu welch komplexen Auto-Kalkulationen die heutige Aligner-Planungssoftware imstande ist. Dass die Berechnungen und Musterlösungen dabei allerdings immer auf Mittelwerten basieren, zeigten Matthias Peper, Björn Reiners und Dr. Udo Windsheimer anhand interdisziplinär geplanter, sehr komplexer Behandlungsplanungen.

Damit der Behandlungsplan gut vorhersehbar ist und perfekt auf die Bedürfnisse und Prioritäten des Patienten und Kieferorthopäden abgestimmt werden kann, bedarf es einer klaren Anweisungsstruktur. Besonders in der komplexen KFO gibt es sehr viele individuelle Entscheidungsfaktoren, die es für einen Algorithmus unmöglich machen, passende Prioritäten bei der Planerstellung zu berücksichtigen. Auch Kompromiss- oder Zwischenlösungsschritte bietet die Software nicht an. Hier ist die Algorithmusgestaltung so ausgelegt, dass direkt im ersten Behandlungsplanvorschlag die vermeintlich optimale Endposition dargestellt wird.

In der Präsentation wurde zunächst auf die KI und Algorithmen der unterschiedlichen Alignersysteme eingegangen. Es wurde aufgezeigt, nach welchem Kalkulationsschema und mit welchen Mittelwerten die unterschiedlichen Softwarehersteller arbeiten. Die hieraus resultierenden Verankerungsprobleme wurden angesprochen und es wurde beschrieben, wie diese identifiziert und behoben werden können. Hierauf aufbauend erklärten Peper und Reiners die aktuell gültigen Bewegungs- und Verankerungsprotokolle. Dr. Windsheimer veranschaulichte anhand klinischer Fälle, wie diese eingesetzt und wann verändert bzw. individualisiert werden sollten. Hierzu gibt es systemübergreifende Schlüsselbegrifflichkeiten in der Techniker-Kommunikation, die zwar je nach Hersteller leicht abweichen, aber dennoch universell funktionieren. Abschließend wurde in Live-Bearbeitungs-Demos präsentiert, wie durch den Einsatz von Text und 3D-Tools in kurzer Zeit ein gut vorhersehbarer Behandlungsplan entsteht.

Komplexe Behandlungen vorhersehbar planen

Um auch komplexe Situationen vorhersehbar behandeln zu können, ist das grundlegende Verständnis der klinischen Planungsprotokolle der Alignersoftware für die Kommunikation mit dem Techniker essenziell. Dr. Enzo Pasciuti präsentierte seine „Key points for predictability of complex treatments“, welche die Auswahl der Attachments, das ideale Set-up und das Staging sind.

Dr. Pasciuti unterscheidet bei der Auswahl der geeigneten Attachments zur Verankerung z. B. zwischen High-Angle- und Low-Angle-Patienten. Bei Ersteren empfiehlt er horizontale, rechteckige Attachments, bei Low-Angle-Patienten eher horizontale, gingival abgeschrägte Attachments. Bei Extraktionsfällen ist die Planung vertikaler rechteckiger Attachments notwendig. Um den „Banana-Effekt“ bzw. „Melonenkern-Effekt“, d. h. das Aussteigen der Aligner zu vermeiden, empfiehlt der Referent bei der Distalisierung vertikale, rechteckige Attachments, die er schräg platziert und an den Prämolaren und am ersten Molaren zusätzlich abschrägt. Die Auswahl der richtigen Attachments in Kombination mit „Frog Staging“, d. h. der abwechselnden Bewegung von Eck- und Frontzähnen, sorgt für zusätzliche Sicherheit, sodass die gewünschten Bewegungen exakt umgesetzt werden.

Bei Rotations- oder auch Intrusionsbewegungen empfiehlt er, neben der geeigneten Attachment-Auswahl, mesial und distal kleine Lücken zu öffnen, um Raum für die notwendige Zahnbewegung zu erhalten. Steht der Zahn in der gewünschten Position, werden die „Korrekturlücken“ wieder geschlossen.

Generell ist das Verständnis für das Staging wichtig, vor allem bei geplanter Distalisation. Bei der semi-sequenziellen Distalisation wird, wenn der endständige Molar zu 50 Prozent distalisiert ist, der nächste Zahn distalisiert. Es werden also nur zwei Zähne gleichzeitig distalisiert. Bei der komplett sequenziellen Distalisation wird dagegen immer nur ein Zahn distalisiert. Die Distalisation des folgenden Zahns erfolgt erst, nachdem der vorherige Zahn vollständig distalisiert wurde. Dieser Ansatz hat natürlich Auswirkungen auf die Anzahl der Aligner.Wichtig ist auch das Verständnis für die Intrusionsbewegung der oberen Frontzähne bei geplanter Retrusion und Aufrichtung (Torque). Es ist wichtig, dass diese erst mit entsprechender Überkorrektur prokliniert, bevor sie intrudiert und anschließend retrudiert werden. Beim „aesthetic start“ werden das bevorzugte Distalisationsprotokoll und die Proklination der Frontzähne kombiniert. Generell ist während der Distalisationsbewegung eine Proklinationsbewegung der Frontzähne zur Optimierung der Bewegungen und für den optimalen Sitz der Aligner (Verankerung) wichtig. Zur Korrektur der Transversalen ist eine progressive Überexpansion mit zusätzlichem bukkalen Wurzeltorque um 5 bis 10° im Oberkiefer das Erfolgsrezept.

Biomechanik und Aligner

Mit viel Enthusiasmus präsentierte Dr. David Raičković anschaulich die Grundlagen der Biomechanik: „How Aligners really work – the Principles of Biomechanics“. Der Widerstand, mit dem ein Zahn einer auf ihn ausgeübten Kraft entgegenwirkt, hängt von der Form der Wurzel und deren Oberfläche, der Knochendichte und parodontalen Gesundheit, den muskulären Kräften in Kombination mit dem Gesichtstyp und den oralen Habits und der Art der Bewegung ab. Dabei produzieren körperliche Bewegungen einen größeren Widerstand als kippende. Demzufolge bestimmen die o. g. Faktoren die Auswahl des geeigneten Musters bei der Distalisation und der entsprechenden Verankerung. Dr. Raičković empfiehlt, sich den Zahnbogen immer in aktive und passive Segmente aufzuteilen. Das passive Segment dient zur Verankerung für das aktive Segment. Falls doch alle Segmente gleichzeitig bewegt werden sollen, ist es wichtig, dass die Bewegungen vorhersehbar bleiben und mit reziproken Bewegungen kombiniert werden (Abb. 9).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Mesialisierung weniger vorhersehbar ist als die Distalisierung, dass Vorkontakte im Frontzahnbereich durch unzureichende Torquekompensation vermieden, zur Retrusion der oberen Frontzähne Power Ridges geplant und dass grundsätzlich Attachments zusammen mit Button-Cut-outs verwendet werden sollten, um Nebeneffekte durch Elastics zu vermeiden. Außerdem sollten alle Fälle mit einem Extra-Overjet von 1,5 mm und einem bukkalen Offset von 0,5 mm im Bereich der oberen 3er geplant werden. Das favorisierte Distalisationsmuster ist die semi-sequenzielle Distalisation, bei der nie mehr als zwei Zähne gleichzeitig distalisiert werden.

Fazit

Wenn die Komplexität der Planungsphase in der Alignerbehandlung betrachtet wird, ist es erstaunlich, dass laut Angaben von führenden Alignerherstellern 70 Prozent der Simulationen ohne Korrektur und Überarbeitung bestätigt werden. Der Prime Aligner Summit war ein „Deep Dive“ in Sachen Planung und Behandlung komplexer Alignerfälle und leistete einen wertvollen Beitrag dazu, diesen Umstand zu ändern und den Teilnehmern das nötige Wissen zu vermitteln, die Kontrolle über ihre Behandlungsplanung wieder vollständig zu übernehmen.

Gerade die unterschiedlichen Blickwinkel und Konzepte zeigten, dass verschiedene Herangehensweisen zum Ziel führen. Es obliegt jedem erfahrenen Kieferorthopäden, die geeigneten Behandlungstechniken und Hilfsmittel auszuwählen, mit denen er seine Patienten erfolgreich funktionell und ästhetisch behandeln möchte. Wie bei jeder anderen Technik sind die Kenntnisse der Biomechanik und eine exakte Planung das Fundament für ein erfolgreiches kieferorthopädisches Behandlungsergebnis.

Nach der langen Pause von Präsenzveranstaltungen war der Prime Aligner Summit ein absolutes Highlight, bei dem auch Networking und der persönliche Austausch in der atemberaubenden Umgebung nicht zu kurz kamen (Abb. 12 und 13).

Autorin: Dr. Marie-Catherine Klarkowski

Dieser Beitrag erschien in den KN Kieferorthopädie Nachrichten.

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Author: Chrissy Homenick

Last Updated: 02/10/2023

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